#46 Kurzmeinung
Buchvorstellung
Ein Gerücht, dessen böse Kraft bis in die Gegenwart reicht
Eine russisch-jüdische Familie flieht von Ost nach West, von Moskau über Prag nach Hamburg und Zürich. Der Großvater des inzwischen in Berlin lebenden Erzählers wurde Opfer eines großen Verrats, einer Denunziation, und 1960 in der Sowjetunion hingerichtet. Unter Verdacht: die eigene Verwandtschaft. Eine Erzählung über sowjetische Geheimdienstakten, über das tschechische Kino der Nachkriegszeit, vergiftete Liebesbeziehungen und die Machenschaften sexsüchtiger Kultur-Apparatschiks – und zugleich über das Leben hier und heute, über unsere moderne, globalisierte Welt, in der fast niemand mehr dort zuhause ist, wo er geboren wurde und aufwuchs.
Kurzmeinung
- Genre: Roman, Familienroman, historisch
- Handlung: Wer hat das Familienoberhaupt Schmil Grigorewitsch, „Tate“ genannt, den Großvater des Autoren, verraten? Wer ist für seine Hinrichtung verantwortlich? Diese Fragen bilden den roten Faden. Der Enkel sucht die Auflösung und entblättert dabei eine Familiengeschichte, die sich über einige Länder in Ost und West erstreckt und in der sehr viel Unzufriedenheit steckt.
- Charaktere: Der Autor verarbeitet einige Namen aus seiner Familie in seinen Roman und kitzelt den Leser damit, dass dieser sich die Lektüre über fragt, wie viel Wahrheit und Realität im Buch steckt und was sich Biller lediglich ausgedacht hat. Dabei konnte er mir aber keine Figur so richtig nahe bringen. Obwohl alles aus dem Blickwinkel des Enkels erzählt wird, ist dieser so allwissend, sodass er z.B. aus dem Blickwinkel seiner Mutter oder seiner Onkel erzählen kann. Dies verwirrte mich an vielen Stellen, da ich oftmals das Gefühl hat, nicht zu wissen, wer eigentlich erzählt.
- Spannung: Die Frage, die den roten Faden im Buch bildet, ließ mich im ersten Moment denken, dass dies eine Art „Familienkrimi“ sein könnte. Doch davon ist das Buch ganz weit entfernt. Es behandelt verschiedene Themen wie Flucht, Entwurzelung, Unzufriedenheit, Neid, Eifersucht unvm. Doch der Lösung der Frage kommen wir nicht wirklich nahe. Das Hin und Her von wer, was, wie, wem, warum langweilte mich streckenweise sehr.
- Schreibstil: Den sehr hoch gelobten und anspruchsvollen Schreibstil und die Sprache suchte ich vergebens. Der Roman liest bzw. hört sich angenehm doch ich würde sagen, er ist recht durchschnittlich.
- Ende: Mit dem Ende bin ich nicht wirklich zufrieden. Ein interessantes und außergwöhnliches Ende hätte mich über vieles hinwegtrösten können, doch leider ist es mir zu offen dafür.
- Hörbuch: Der Sprecher Christian Brückner macht das Hörbuch zu einem Hörgenuss. Seine angenehme Stimme passte sehr gut zum Stil der Geschichte. Ich habe das Buch sehr gerne gehört.
- Fazit: Von einem Buch, das es auf die Longlist Deutscher Buchpreis 2018 geschafft hat, habe ich insgesamt viel mehr erwartet. Biller stellt das Jüdisch-sein oft in den Mittelpunkt und verbindet dies mit der jeweiligen Zeit, Gesellschaft oder politischem System. Doch ich finde, für solch tiefere Beobachtungen hat das Buch zu wenig Seiten und bleibt somit viel zu sehr an der Oberfläche. Wenn das das eigentliche Thema sein sollte, hätte sich der Autor durchaus mehr Zeit und der Geschichte mehr Seiten gönnen dürfen.
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1 Kommentar
Nun, in puncto Sprache und Inhalt lässt das Buch wirklich zu wünschen übrig. So schnell fass ich kein Buch von Maxim Biller mehr an …
Beste Grüße, Marius
Ich auch nicht, das ist sicher! Weil ich das Hörbuch gehört habe und der Sprecher mir gefallen hat, hab ich noch 3 Sterne vergeben. Das Buch hätte diese Punktzahl nicht erhalten. Denn auch im Hörbuch musste ich mehrere Stellen mehrfach hören, da ich nicht immer wusste, was gerade passiert…
Danke für deinen Besuch!
GlG, monerl
Hallo liebes Monerl,
das Buch hätte ich fast beim letzten Lesetreff mitgenommen, mich dann aber doch für den neuen Vermes entschieden. Vielleicht greife ich beim nächsten Mal zu. Die Meinungen gehen ja ein wenig auseinander, aber dennoch reizen mich diese 6 Koffer ungemein!
Liebe Grüße, Heike
Hallo liebe Heike,
ich glaube, die positiven Meinungen zum Buch überwiegen. Könnte sein, dass dir das Buch auch besser gefällt. Ich fand es nicht schlecht aber sprühende Begeisterung hatte sich auch nicht eingestellt. Für mich war das ein Buch, bei dem man nichts verpasst, wenn man es nicht liest. 😉
Das neue (Hör)Buch von Timur Vermes gönne ich mir zum Ende der Woche.
GlG, monerl
hab ich auch gelesen
https://literaturgefluester.wordpress.com/2018/09/08/sechs-koffer/
Hallo Eva,
ich habe deine Rezension gelesen aber nicht rauslesen können, wie und ob dir das Buch gefallen hat. Kannst du mir dazu noch etwas sagen?
GlG, monerl